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"Every dam' thing about Jane is remarkable to a pukka Janeite!" - Rudyard Kipling

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MierschB
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Geschrieben Sonntag, Februar 27, 2005 @ 16:45:30  

Liebe Janeiten,

ich möchte heute eure Aufmerksamkeit auf zwei Bücher lenken. Eines davon entstand 100 Jahren vor Jane Austen und das andere 150 Jahre nach ihr...

Das erstere ist Samuel Pepys "Das geheime Tagebuch". Wer das Begleitbuch zur BBC-Serie "Stolz und Vorurteil - die Welt der Jane Austen" gelesen hat, wird schon auf ihn gestoßen sein: Der seltsame Vogel, der nach der Tanzstunde seiner Frau ins Schlafzimmer eilte, um anhand der Wärme der Betten festzustellen, ob diese mit dem Tanzlehrer "Unzucht" getrieben hätte... Ich hab das Buch Anfang der 80er Jahre kennengelernt und es hat mich köstlich amüsiert (insbesondere wenn man bedenkt, wie wenig sich die Männer seit 200 Jahren verändert zu haben scheinen)... Samuel Pepys war ein hoher Beamter im Marineamt und beschreibt in seinem Tagebuch seine täglichen Verrichtungen... Wenn man nicht von der Echtheit des Manuskriptes überzeugt wäre, könnte man bei einigen Passagen denken, er wäre der Feder eines Satirikers entsprungen: Morgens beim Ankleiden befummelt er die Brüste des Dienstmädchens und zeigt sich befriedigt, dass ihr Widerstand etwas geringer geworden zu sein scheint, so dass er bald weiter zur Sache zu gehen gedenkt, vormittags im Büro treibt er's mit der Frau eines Bewerbers auf einen Posten im Ministerium, die der Kandidat ihm geschickt hatte, um seiner Bewerbung Nachdruck zu verleihen, mittags haut er seiner Frau eine rein, weil sie zu sehr nörgelt, den Nachmittag verbringt er mit einer "schnellen Nummer" bei seiner "Geliebten", die er nur "Bagwells Frau" nennt... Und abends zählt er sein Geld und zerfließt in Gewissensbissen wegen des blauen Auges seiner Frau... Zugleich ist er aber ein Mensch und genauer Beobachter, ein Chronist seiner Zeit und ein Vertreter des frühen Bürgertums...

Also, wenn ihr etwas Zeit entbehren könnt, lege ich euch Samuel Pepys Tagebuch ans Herz...

Das zweite Buch ist 1969 erschienen und wurde auch verfilmt (für die Filmfans!): John Fowles "Die Geliebte des französischen Leutnants". Es handelt von einem jungen Mann, der frisch verlobt, eine geheimnisvolle junge Frau kennenlernt, die in der Kleinstadt eine Außenseiterrolle einnimmt, als "Geliebte eines französischen Leutnants" und die ihn in einen Strudel an "Leidenschaften, Phantasie, Heiterkeit und Lust am sinnlich Schönen" entführt... Also, eine Liebesgeschichte... Die Handlung spielt im viktorianischer Zeit, die Darstellung ist aber gebrochen durch Reflexionen und die Perspektive des heutigen Autors... Sehr gut lesbar und amüsant, und man lernt eine Menge über das Denken und Leben in der damaligen Zeit... Ach so, das wichtige zum Schluss: Die Geschichte beginnt in Lyme Regis auf der Mole, die auch eine wichtige Rolle in der Geschichte spielt, und auch aus Jane Austens Bücher wird verschiedene Male zitiert...

Ihr wisst ja, wie ich zu den "nachgemachten" Jane Austen Geschichten stehe, aber hier ist mal eine Ausnahme von der Regel: Der Autor fängt die Epoche und die Sprache des viktorianischen Romans adäquat ein... und geht trotzdem darüber hinaus: "Du versuchst nicht, etwas zu schreiben, was einer der viktorianischen Romanschriftsteller zu schreiben vergaß; doch vielleicht etwas, was einer von ihnen nicht zu schreiben vermochte..."

Unbedingt lesenswert.

Ach so, noch was: Der Film nach dem Buch ist zwar mit Meryl Streep, aber die Musik von Carl Davis - noch Fragen?

Bruki

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Jadzia
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Geschrieben Freitag, März 4, 2005 @ 14:46:45     ICQ

Pepys Tagebücher "kenne" ich aus 84, Charing Cross Road und seither denke ich darüber nach, sie auch zu lesen.
Weil ich Tagebücher gerne lese; außer mein eigenes natürlich - das ist schrechklich. *gg*

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Kratzbürste
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Geschrieben Freitag, März 11, 2005 @ 11:50:41  

Ich schreib's jetzt einfach mal hier rein, weil ich deswegen nicht extra ein neues Thema eröffnen möchte:

In der aktuellen MAXI ist bei den Buchempfehlungen "Stolz und Vorurteil" mit aufgeführt. Das freut den Jane-Austen-Leser!

MierschB
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Geschrieben Dienstag, März 15, 2005 @ 17:46:19  

Quote:
84, Charing Cross Road

Ich hab mir das bei Amazon bestellt - will mal sehen, was das für ein Wundertier ist... Da wurde vor einiger Zeit ein Film angepriesen, der nach einem ihrer Bücher gedreht sein soll(?) *) - Irgendwas mit einem alten Brief aus einem Buch, wo sich dann Gegenwart und Vergangenheit vermischen... Das stelle ich mir vor wie bei "Die Geliebte des französichen Leutnants" - also dem Film, wo das ja Harold Pinter - so genial - eingearbeitet hat, weil im Buch kam das ja nicht so direkt vor mit der Parallelhandlung und den Gegensätzen zwischen damals und heute...

Aber ich bin echt darauf gespannt, weil ich solche Bücher mag, wie z.B. Umberto Eco ("Name der Rose" oder "Das Foucaultsche Pendel"), Carlo Fruttero ("Die Wahrheit über den Fall D." - über Dickens letzten unveröffentlichten Roman) oder Arturo Perez-Reverte ("Der Club Dumas" - der ja auch mit dem hier im JAF-Board beliebten Johnny Depp verfilmt wurde und wo man - obwohl der bei weitem nicht an Fruttero rankommt / ganz zu schweigen von Eco - einiges über Dumas, den Teufel und "Bücherjäger" erfährt)...

Bruki

*)... Ist natürlich von wem anderes: "Besessen" von Antonia S. Byatt - wie kam ich nur auf Helene Hanff? - Irgendwie muss es doch da einen Film gegeben haben?? Mit Anthony Hopkins???

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MierschB
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Geschrieben Dienstag, März 15, 2005 @ 17:53:23  

Apropos, wo ich gerade daran denke: Ihr kennt doch sicher alle die Bogenschießszene aus Emma (mit GP)?

Was glaubt ihr, wo die geklaut wurde? - Ja, richtig: Aus "Die Geliebte des französischen Leutnants" - da ballert Ernestina, die Verlobte des Romanhelden Charles Smithsons, ihre Pfeile mit einem englischen Langbogen in der Gegend herum...

Na ja, irgendwann hat man denn mal alles im Film gesehen, und ab da muss das echt langweilig sein, wenn man nur noch Wiederholungen zu sehen bekommt...

Bruki

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Benjamin
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Geschrieben Mittwoch, März 16, 2005 @ 12:03:50  

Jetzt muss ich mal meiner Begeisterung für die Eco-Bücher Ausdruck geben. Mich wundert, warum "Der Name der Rose" so erfolgreich war, obwohl das Buch doch recht kompliziert geschrieben war, wie ich fand. Aber Eco hat erstens extrem genau recherchiert und zweitens die Zeit und das Denken sehr gut eingefangen: Damals waren den Menschen eben andere Dinge wichtig, zum Beispiel die Frage: Wie stand Aristoteles zum Lachen und der Komödie?
"Das Foucaultsche Pendel" kann ich auch absolut empfehlen, auch wenn es noch um zwei Grade komplizierter ist als der "Name". Interessant hierbei ist, dass es erst ab Kapitel 70 (von 120) so richtig spannend wird... Man muss es mögen und durchhalten.

Nun aber was anderes: Kennt jemand Dorothy L. Sayers? Vielleicht ist sie nicht so ganz der Fall der JA-Leser: Sie schrieb nämlich vornehmlich Krimis. Die handeln größtenteils von den "Abenteuern" des Lord Peter Wimsey, der als zweites Hobby (das erste müsste dich, Bruki, interessieren: Er sammelte seltene Erstausgaben) die Aufklärung schwieriger Verbrechen angibt. Er ist der zweite Sohn irgendeines Herzogs, hat also Geld und kaum Verpflichtungen. Zudem ist er mit einer unverschämten Menge an Witz, Geist, Intelligenz und Bildung ausgestattet. Das macht ihn irgendwie sympathisch. Jedenfalls kenne ich außer (teilweise) Agatha Christie niemanden, der/die so geniale Mordmethoden recherchiert hat wie sie!! Meiner Meinung das beste von ihr, weil zum Mitraten geeignet: Fünf falsche Fährten. Aber: Alle sind gut!!!

Jadzia
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Geschrieben Freitag, März 18, 2005 @ 15:31:56     ICQ

Bruki,
ja es gibt einen Film "84, Charing Cross Road" mit Anthony Hopkins und Anne Bancroft: Link

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MierschB
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Geschrieben Freitag, März 18, 2005 @ 17:33:25  

Juhu, den Film hab ich: "Zwischen den Zeilen" - Das wird wohl ein Helene-Hanff-Wochenende bei mir werden...

Bruki

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MierschB
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Geschrieben Samstag, Mai 14, 2005 @ 14:36:39  

Das ist zwar keine Buchempfehlung, aber...

Ich möchte euch eine andere englische Dichterin nahebringen, eine Poetin:

Christina Rosetti (1830–1894)

Ihre Eltern waren Italienischer Abstammung, und Christina wuchs zweisprachig auf. Ihre Familie war literaturinteressiert und künstlerisch vielseitig engagiert - und katholisch - was im damaligen England nciht so verbreitet war. Ihr Bruder Dante Gabriel wurde ein bekannter Maler (ein Prä-Raphaelit). Sie schien eine glückliche Kindheit gehabt zu haben. Mit 18 Jahren wurde sie krank. Einer der konsultierten Doktoren diagnostizierte "religiösen Wahn". Sie war zweimal verlobt und beide Male löste sie die Verlobung aus religiösen Gründen (der erste Mann konvertierte vom Katholizismus, dem zweiten Mann unterstellte sie Agnostizismus).

Solche Begründungen waren damals üblich und wurden allgemein akzeptiert. Einige meinten, sie wäre lesbisch gewesen - ihre Gedichte deuten darauf hin...

In den 60ger Jahren war sie oft krank und 1871 verstärkte sich dieser Erkrankung so dass sie all ihr Haar verlor und für den Rest ihres Lebens Invalide blieb... Sie starb am 29. Dezember 1994 nach monatelangen furchtbaren Schmerzen an Krebs.

Sie schrieb mehrere Gedichte, in denen sich religiöse Gefühle und unterdrückte Sexualität ausdrückten. Ihr bekanntestes ist "Goblin Market", welches so endet:

"For there is no friend like a sister
In calm or stormy weather;
To cheer one on the tedious way,
To fetch one if one goes astray,
To lift one if one totters down,
To strengthen whilst one stands."

Am Ende ihres Lebens schrieb sie hauptsächlich Kindergeschichten und religiöse Schriften.

Hier noch ein Link zu einem ihrer Gedichte: Song (ein wenig sentimental, aber einigen von euch wird das gefallen).

Soweit ich weiß, wurde im Deutschen nichts von ihr veröffentlicht, aber man findet im Netz viele ihrer Gedichte...

Bruki

PS: Ähem, eine kleine Anmerkung kann ich mir nicht verkneifen. Kennengelernt habe ich Christina Rosetti in einer Fernsehserie, ob ihr's glaubt oder nicht es war "Tool Time".

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MierschB
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Geschrieben Montag, Mai 16, 2005 @ 10:39:12  

Hallo Kerstin,

ich bin ja kein solcher Freund von Gedichten... Und habe im allgemeinen eine Vorliebe zu depressiven Stücken, was mir aber gemeinhin nicht gut tut...

An Christina Rossetti (schreibt man die mit einem oder 2 "s"?) hat mich aber der Lebenslauf angezogen... Kann es sein, dass Christina Rossetti die Vorlage für Christabel LaMotte war? Die seltsamen Liebesbeziehungen zu Männern, der Hang zum Esoterischen (sagt man so?), die mittelaterliche Feendichtung (bei Rossetti sind's Goblins), die lesbischen Anspielungen in den Gedichten... Und am Ende zieht sie sich, scheint es, auch etwas zurück... Arbeitet wohltätig(?), wird religiöser und schreibt Kinderbücher - obwohl sie wohl keine eigenen Kinder hatte(?)...

Die Präraphaeliten waren wohl damals sowas ähnliches wie die deutschen Romantiker vermischt mit Aussteigermentalität und 20ger-Jahre-Reformbewegung? Alternative Künstlerkolonien und der Verherrlichung des mittelalterlichen Handwerks? Gab es da auch Geisterbeschwörungen? - Ist schon alles etwas widersprüchlich, wenn man sich vorstellt, dass sie katholische Propaganda getrieben haben soll...

Ich bin immer voller Aufmerksamkeit, wenn es um Krankheiten geht... Kann es sein, dass Christina Rossetti an der gleichen Krankheit wie Jane Austen gelitten hat? Da stand was von "Grave's desease" - soll Haarausfall und eine Braunfärbung der Haut bewirken - in einer Biografie Jane Austens hab ich irgendwo auch was von einer Färbung der Haut gelesen...

Mich macht es immer fertig, wenn ich was von Krebs lese und wenn man bedenkt, dass sie das monatelang ertragen hat bevor sie - kann man sagen? - "erlöst" wurde...

Leider habe ich nur wenig im Netz zu ihrem Leben gefunden. Ein paar Gedichte und eine Kurzbiografie... Kennst Du deutsche Übersetzungen oder eine Biografie?

Bruki

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Kerstin
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Geschrieben Montag, Mai 16, 2005 @ 13:35:34     ICQ

Hallo Bruki!
Ich habe eine kleines Büchlein von Reclam über die Präraffaeliten. Zusammengefasst ist dort Dichtung, Malerei, Ästhetik und Rezeption. Da sind auch die Gedichte in Englisch und Deutsch drin. Aber es ist mehr nur ein Ausschnitt.
Diese Präraffaelitische Bruderschaft wollte bewußt einen Gegenpol zur Industrialisierung und zum gängigen Kunstverständnis bilden, man arbeitete von Hand und besann sich auf die "Künste" im Mittelalter. Die Kunst sollte aussehen wie VOR-Raffael. Sie eröffneten eigene Werkstätten, fast ein bißchen sektenhaft! Es wurde gemalt, Bildhauerei gehörte dazu, Grafik und natürlich die Gedichte.
Man könnte die Präraffaeliten vielleicht als Vorläufer des Jugendstils sehen, vor allem wenn man sich die Grafiken von William Morris ansieht.
Leider gibt es über Christina Rossetti nicht viel in dem Buch, bekannter ist halt ihre Bruder, Dante Gabriel Rossetti, so eine Art Universalgenie, Maler und Dichter. Ihre Gedichte sind eigentlich nicht religiös, eher sehr mystisch und ziemlich düster. Wobei sie auch ein sarkastisches Gedicht über die Präraffaelitische Bruderschaft geschrieben hat.
Übrigens galt die Kunst anfangs als sehr skandalös... die Damen so "sinnlich" und "unbekleidet".... SKANDAL im prüden viktorianischen England!
Im Film ist Christabel LaMotte sicher von Christina Rossetti inspiriert, da gibt es einige Szenen, wo man die Kleidung fast wie aus einem Gemälde von D.G. Rossetti ausgeschnitten sieht. Ihre Freundin malt ganz im Stile dieser Zeit....
Grüße,
Kerstin

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MierschB
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Geschrieben Montag, Mai 16, 2005 @ 19:16:39  

Hallo Kerstin,

danke für die schnelle Antwort. Das mit ihrem Bruder und dem Jugendstil hab ich auch schon vermutet, als ich seine Bilder im Internet gesehen habe. Und skandalös glaube ich auch... So hat sicher Christabel LaMotte auch gewirkt mit ihrer Freundin zusammenzuleben und das auch noch in bewusster Abgrenzung vom Rest der Gesellschaft - das muss SKANDALÖS gewirkt haben in der viktorianischen Zeit... Aber ich habe das Gefühl, es tendierte schon zur Auflösung der viktorianischen Verhältnisse - irgendwie kam es mir teilweise so vor wie T.C. Boyle es in "Wellville" schildert...

Gehörte Whistler auch zu der Gruppe? Von dem hab ich vor Jahren mal was launiges gelesen - witzige, gemeine, boshafte und geistreiche Essays... Muss ich echt mal wieder raussuchen...

Bruki

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Geschrieben Dienstag, Mai 17, 2005 @ 11:48:12  

Ich hab eben mal nach Morris gesucht, den kannte ich noch nicht:

William Morris

"Schon damals faszinierte ihn die nordischen Sagenkreise. Er sah in der nordischen Überlieferung ein Gegengewicht zur mediterranen Kultur, aus der sich die ihm verhasste Industriegesellschaft entwickelt hatte. Im Sprachstil der alten Sagas übersetzte er die großen nordischen Sagenkreise ins Englische, nachdem er eigens dafür das Isländische erlernt hatte."

Das kommt einem doch bekannt vor? Ja, genau: Randolph Henry Ash aus "Besessen"!

Und außerdem war er ein Vorläufer für JRR Tolkien! Wer hätte das gewusst?

"Mit 'Der Wald hinter der Welt', 'Das Reich am Strom' und sein Hauptwerk 'Die Quelle am Ende der Welt' begründete Morris eine Erzähltradition, die dann von J. R. R. Tolkien fortgesetzt wurde. Morris schuf sich sein eigenes Mittelalter mit Ländern, und Historien, die in keinem Geschichtsbuch zu finden sind. ... Nach Morris` Tod geriet seine Fantasy rasch in Vergessenheit. Erst über die Fantasy-Renaissance im Gefolge von Tolkiens 'Herr der Ringe' wurden in den USA auch Morris` Fantasy-Romane neu aufgelegt und sind inzwischen auch ins Deutsche übersetzt worden."

Ist die Literatur nicht wie eine schöne alte lange Perlenkette?

Bruki

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Geschrieben Dienstag, Mai 17, 2005 @ 12:40:09     ICQ

Whistler gehört übrigens auch zu den Anhängern der Präraffaeliten.
Die Bruderschaft bestand aber eigentlich nur aus D.G. Rossetti, seinem Bruder William, Hunt, Millais, Woolner, Collinsons und F.G. Stephens.
Mein Favorit ist John William Waterhouse... die Bilder sind einfach zu schön kitschig!
Grüße,
Kerstin

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Benjamin
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Geschrieben Dienstag, Mai 17, 2005 @ 14:21:43  

Hallo Bruki!
Ist ja interessant, was du da über W. Morris hervor gezaubert hast! Ich erinnere mich düster, dass ich in der Tolkien Biografie von H. Carpenter einige Hinweise auf ihn gelesen habe. Seine Werke waren jedenfalls zum Teil prägend für Tolkien; ich glaube, er hat sie in seiner Jugend gelesen und war fasziniert. Muss ich noch mal nachlesen - werde es dann nachtragen...
Gruß, Benjamin
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Geschrieben Dienstag, Mai 17, 2005 @ 20:53:29  

Joy, ich hab schon gekramt: in meinem Bücherschrank! Hab ich meinen Band mit Whistlers Spitzen von 1984 gefunden: "Die artige Kunst sich Feinde zu machen" (Gustav Kiepenheuer Verlag) - Wer einen Whistler kennt, braucht keine mehr! Sogar die spitze Zunge von Oscar Wilde hatte keine Chance gegen die Boshaftigkeiten - ich meine natürlich - Feinheiten Whistlers... Im Feinde machen gab's keinen, der ihn übertreffen konnte!

Im Nachwort steht, dass Whistler zwar ein dicker Freund Rossettis war, er aber nicht im Stil der Präraffaeliten malte... Und wer ein Fan von Mr Bean ist, kennt mindestens ein Bild von Whistler! Nämlich das seiner Mutter...

Um nochmal auf Christina zu kommen: In der Kurzbio hab ich gelesen, sie habe das erste "Manifest" der Brotherhood beigetragen - nämlich ihr Gedicht "Goblin Market" - also wollen wir sie nicht vergessen bei der Liste der Präraffaeliten.

Bruki

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MierschB
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Geschrieben Mittwoch, Mai 25, 2005 @ 18:06:01  

Hallo Janeiten,

der neue Nick Hornby ist heute bei mir angekommen. Jetzt muss ich mich sputen, P&P zuende zu lesen (die letzten 15 Kapitel) - damit mein Kopf frei ist für "A Long Way Down". - Mal wieder was mit Selbstmördern! Und mit schwarzem Humor... Mal sehen, ob ich das schon aushalten kann. - Na ja, wie sagte Ashton Dennis so schön: "Ich habe lange geglaubt, dass Humor die Menschen über das hinweg tröstet, was sie in Wirklichkeit sind."

Hier erstmal für euch die Inhaltsangabe des Verlages:

Silvester auf dem Dach eines Hochhauses: Pech, dass gleich vier Menschen auf die Idee gekommen sind, sich dort das Leben zu nehmen. Da man sich schlecht umbringen kann, wenn einem andere dabei zusehen, steigt die seltsame Gruppe erst mal vom Dach, um das Problem der jüngsten Kandidatin, die nicht weiß, warum ihr Freund sie verlassen hat, zu lösen. Nach und nach erzählen sie sich und damit dem Leser ihre Geschichten. Da ist die altjüngferliche Maureen, deren Sohn Matty schwerstbehindert ist und die diese Belastung allein tragen muss, da ist Martin, der berühmte Talkmaster, den nach einem Gefängnisaufenthalt niemand mehr auf dem Bildschirm sehen will; Jess, die aufmüpfige Tochter eines Politikers, ist so direkt, dass sie alle vor den Kopf stößt, und JJ, der von seinem besten Freund, dem Sänger seiner Band, im Stich gelassen wurde. Die vier verabreden, mit dem finalen Sprung bis zum Valentinstag zu warten - und so findet eine Gruppe von Menschen zueinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die einander doch auf wundersame Weise zu helfen wissen. Hornby at his best - in diesem urkomischen, rasanten und mit schwarzem Humor gespickten Roman beweist Hornby wieder einmal seine ganze Meisterschaft. Leser, freut Euch!

Da kann man doch nicht widerstehen? Oder?

Bruki

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Geschrieben Freitag, Mai 27, 2005 @ 13:51:39  

Hallo Leute, Sensation:

Gestern hab ich meine Lesung von „S&V“ beendet und heute morgen mit Nick Hornby „A Long Way Down“ begonnen... Ich hab noch nicht 100 Seiten geschafft und zwei Sachen sind passiert: 1. Ich hab schon einen der Selbstmörder zu meiner Lieblingsfigur gemacht und 2. Ich bin auf Jane Austens „Stolz und Vorurteil“ gestoßen... - „Ja, sind die denn überall?“ – Nein, sind sie nicht, aber in Hornbys neuem Roman werden sie auf Seite 73 zitiert:

»Wart ihr verlobt?« fragte ich Jess und wünschte gleich, ich hätte es nicht getan.
»Verlobt?« fragte Jess. »Verlobt? Sch..., wo sind wir denn hier? Bei ‚Stolz und Vorurteil’? ‚Oooh, Mr. Darcy, dürfte ich um Ihre Hand bitten?’ ‚Oh ja, Miss Kleindoofi-Schnuti, ich wäre entzückt.’« Den letzten Teil sagte sie mit alberner Piepsstimme, aber das werden Sie sich schon gedacht haben.
»Es verloben sich immer noch Leute«, sagte Martin. »So dumm ist die Frage nicht.«

Hallo, der Tag wird gut werden...

Bruki

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Johanna
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Geschrieben Donnerstag, Juni 2, 2005 @ 16:56:41  

Was haltet ihr von Dorothy Parker und ihren New Yorker Geschichten? Also, mal abgesehen davon, das ihr literarisches Mittel ein ganz anderes (Short Stories) ist als bei Miss Austen, finde ich sie in ihrer Beobachtungsgabe ähnlich scharf, ihren Humor weitaus bissiger, um nicht zu sagen böse und ihren Grundton exzentrischer und weitaus weniger heiter um nicht zu sagen ganz schön traurig. Auf jeden Fall lesenswert, meine ich. Und die autobiographische Verfilmung mit Jennifer Jason Leigh über die ich zu Mrs. Dotty gekommen bin find ich auch äußerst gelungen.
MierschB
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Geschrieben Donnerstag, Juni 2, 2005 @ 18:32:16  

Hallo Johanna,

bei Dorothy Parker da muss ich passen. Ich bin nur bis zu Mary Gaitskill vorgedrungen... Und irgendwann hat mal jemand auf einen Tisch gedeutet und gesagt, „da hat die Parker immer mit ihrer Bande gesessen.“

Zuletzt war ich bei Helene Hanff – die hat aber nie Skandal gemacht – war mir gefallen hat...

Herzlich Willkommen im Board... Hab schon ein paar Mal bei Deinen Postings geschmunzelt – Du schreibst sehr witzige Sachen...

Bruki

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Johanna
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Geschrieben Freitag, Juni 10, 2005 @ 14:50:41  

@Bruki: Tja. Recht herzlichen Dank.
Der:
Quote:
PS: Als welche Jane-Austen-Figur könnte man denn Johnny Depp besetzen? Mr. Collins? Einen der Zigeuner aus "Emma"? - Er würde bestimmt eine begnadete Lady Catherine de Burgh abgeben... da würde Judy Dench echt Probleme bekommen, wenn er sich dafür bewerben würde! Ha, bestimmt würde er gut in einem ihrer Jugendwerke kommen, da könnte er voll vom Leder ziehen und den glutäugigen Verführer geben, mit einem gehörig lockeren Sparren im Oberstübchen und ein paar fehlenden Stücken aus dem Teeservice...
war aber auch nicht schlecht.

Hat schon mal jemand Remarques "Zeit zu leben, Zeit zu sterben" gelesen? Ich habe da neulich den Film dazu gesehen, und wundere mich ehrlich, das Remarque nicht nur sein "Ok" nicht verweigert, sondern auch noch mitgespielt hat. Kann mir da mal jemand die Schlusspointe auseinanderklabüstern? Ich meine, dass er von dem Russen hinterrücks erschossen wird, wirft doch alles aber den Haufen, zumal der erklärende Dialog aus dem Buch nicht im Film war. Da wird ja eine ganz andere (dämliche US-sensible, McCarthy-Kommunistenhatz-Hexenjagd) Geschichte draus. Ich finde, obwohl die derzeitige WWII-Filmflut ziemlich stinkt, hätte dieses Buch eine anständige Neubearbeitung verdient. Zumal es weitaus vielschichtiger und grundsätzlicher ist, als sagen wir mal "Speer und Er" (was für ein unsäglich geschmackloser Witz!) und der ganze Quatsch, und gar der Untergang, obwohl man die beiden vielleicht besser nicht vergleichen sollte.

erheiterte Grüße
jo

MierschB
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Geschrieben Freitag, Juni 10, 2005 @ 19:09:51  

Hallo Johanna,

mit dem 2. WK hab ich mich als Jugendlicher „befasst“... Ich komme ja aus der DDR, da gab es den (Anti-)Faschismus sozusagen als Staatsdoktrin kostenlos freihaus geliefert – was dann dazu führte, dass man gewöhnlich die „Sendungen“ so behandelte wie heutzutage unerwünschte Werbung behandelt wird... Aber wenn man sich dafür wirklich interessierte, konnte man in der DDR auch Sachen lesen, über die heutzutage immer noch die (west-)deutsche Betroffenheitsschickeria in schauriges Entsetzen ob der Neuigkeit der Verruchtheit verfällt... Z.B. über die sexuelle Ausbeutung von KZ-Insassinnen oder die letzten Tage im Führerbunker – oder auch über die Schuld der kleinen Leute (ich erinnere hier besonders an Franz Fühmanns Umgang mit seiner eigenen Jugend als glühender Anhänger des Nationalsozialismus... oder Klemperers Tagebuch...)

Ansonsten muss ich passen, denn seitdem hab ich mich eher mit der „literarischen Ausbeute“ des ersten Weltkrieg befasst.... Ich hielt diesen Krieg für DIE Zäsur in der europäischen Geschichte... Und E.M. Forster war der letzte englische Autor einer Epoche, die mit Jane Austens Romanen begannen... Danach war der Roman-Held gebrochen... Ein Darcy oder ein Bingley, ein Willoughby oder Wickham – oder ein George Emerson, der durch die „Stahlgewitter“ in Flandern gegangen wäre, unvorstellbar – oder?

Vielleicht sollte ich auch Rudyard Kipling nennen, der Jane Austen in seiner Novelle „The Janeiten“ in die Schützengraben Flanderns führt? Das wäre dann die Klammer um meine literarische Welt...

Bruki

PS: Ja, ich war auch im „Untergang“, mit meiner Freundin (eine Ostdeutsche grüner Coleur), ihrem Mann – einen linken Sozialdemokraten – ähem, und ich zähle mich zu den Tories – wie Jane Austen es tat... Also, komischerweise hatten wir beiden „Ossis“ keine Probleme mit dem Film – unsereiner kannte das schon, was da vorgeführt wurde – die Ratte in der Falle – die feigen Generäle, die intelligenten Schleimer, die weiblichen Untergangsgroopies, die fanatischen Idioten, die mit Wagnerschem Pathos ihre unwichtige Existenz verbrämen wollen und doch vor Angst schlottern – während draußen vor der Tür alte Leute, Kinder, Frauen und Männer ums Überleben kämpften... Unser westdeutscher Freund war geschockt, und fand den Film nicht dem Thema angemessen... Er hatte aber damals auch Probleme bei Bengninis KZ-Drama...

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"There’s no one to touch Jane when you’re in a tight place. Gawd bless ’er, whoever she was."
(Rudyard Kipling, The Janeites)

Johanna
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Geschrieben Freitag, Juni 10, 2005 @ 20:23:44  

In wiefern fand der Freund/Mann deiner Freundin den Film dem Thema nicht angemessen???? Ich fand ihn in einiger Hinsicht seltsam unberührend und auf jeden Fall ganz schön "übergehyped", was auch an meiner Kaltschnäuzigkeit liegen könnte, die ich mir aber so sonst nicht zuschreiben würde. Aber weiter diskutieren kann ich jetzt ohne nähere Erklärungen nicht.
MierschB
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Geschrieben Samstag, Juni 11, 2005 @ 15:21:33  

Ha, Johanna, ich liebe Diskussionen...

aber lieber über Jane Austens oder andere Bücher...

Leider kann ich nicht genau ausführen, warum der Mann meiner Freundin über den „Untergang“ so genervt war... Wir haben ihn auf der Rückfahrt vom Kino etwas gefrozzelt – weil er so wütend über den Film war... Der Inhalt des Films schien irgendwie nicht mit seiner Weltsicht überein zu stimmen – und er hat ein ziemlich festgefügtes Bild der Welt... – Danach war er etwas schweigsam – musste sich auf den Straßenverkehr konzentrieren, nehme ich an... – Mir hat die Darstellung Hitlers gefallen (Bruno Ganz – ist ein begnadeter Charakterdarsteller) – doch der Film erschütterte weder mein Weltbild (über das Dritte Reich), noch enthielt er für mich überraschende neue Aspekte des Lebens im dritten Reich... Mich störte auch nicht, dass die Verbrechen der Deutschen in diesem Film nicht dargestellt wurden, sie sind mir bewusst – mehr vielleicht als anderen, die gerade diese Tatsache an dem Film kritisierten – und so gesehen war der Film in meinen Augen kein verdammenswertes den Nationalsozialismus verharmlosendes Werk... So ähnlich sah das wohl auch meine Freundin... – Ach so, ihr Mann beschwerte sich auch darüber, dass die Wachposten im Bunker am Ende alle besoffen waren und undiszipliniert herumlungerten... So was wäre seiner Ansicht nach in der unmittelbaren Umgebung des Führers nicht möglich gewesen... (meine Erfahrungen mit dem Militär sind da zwar anders, aber er ist ein Pazifist, der nie eine Armee von innen gesehen hat...)

Bruki

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Johanna
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Geschrieben Samstag, Juni 11, 2005 @ 17:04:11  

Ach Gottchen!

Ich würde mich jetzt auch nicht auf die Armee-Kenner-Seite stellen, aber das so ein Haufen junger Männer im Angesicht eines solchen Ereignisses mit zusammenknallenden Hacken zackig stehenbleiben soll, wenn der Weinkeller noch voll is... sehr unwahrscheinlich.

Ich wußte nicht so recht, was ich von dem Film halten sollte (aus oben genannten Gründen). Aber ich fand es auf jeden Fall mal an der Zeit, dass Deutsche sich einen Film solcher Größenordnung zutrauen, denn zur eigenen Geschichte immer nur Perspektiven von Amis oder auch Briten vorgesetzt zu bekommen... Ich meine ich liebe Robert Carlyle, aber das Ding is ja wohl zurecht auf RTL II gelaufen... Wir erdreisten uns doch auch nicht, Filme über den Nordirland-Konflikt zu drehen oder die Affären irgendwelcher Königshausmitglieder (obwohl das vielleicht noch garnichtmal so ungerechtfertigt wäre, da die ollen Inzuchtblasen ja alle irgendwie die gleichen Nasen (sprich Urväter) haben) zu drehen. Ich denke da hat so jede Nation genug Kehrmaterial vor der eigenen Tür, mit dem sie sich der nationalen Empfindlichkeit entsprechend besser auseinandersetzen kann, als das evt. der Nachbar könnte.
Ich hoffe ich hab klar machen können was ich meine, ohne Missverständnisse.

@Bruki: Wenn du lieber über Jane Austen diskutierst, biete doch ein attraktives Thema und den entsprechenden Verweis für den jeweiligen Thread, den bei der schon durchexerzierten Masse isses schwierig noch n neuen Ansatzpunkt zu finden...

MierschB
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Geschrieben Samstag, Juni 11, 2005 @ 21:45:32  

Hallo Johanna,

naja, ist schwierig sich da reinzufinden... Ich hab am Anfang auch das eine oder andere Mal daneben gelegen - hab z.B. mal die beiden Knightleys verwechselt... sehr peinlich sowas... Saß ich eine Weile schön im Fettnäpfchen ... und Sonja meint sicher auch heute noch das eine oder andere Mal, ich hätte mich in dieser Beziehung nicht sehr verbessert ...

Aber um eine Diskussion zu initiieren, muss man immer mal eine Spur legen - wie ein Angler - und sehen, ob was anbeißt und rausgefischt werden kann... Das geht unterschiedlich gut - mal kommt eine Riesendiskussion heraus und manchmal nur ein Monolog... Aber es gibt in diesem Fall meist eine mitfühlende Seele, die wenigstens Verständnis anzeigt...

Ansonsten solltest Du Dich einfach in einen der vielen Threads einklinken, am meisten wird wohl hier über die Filme gepostet und gelesen... - Ich schreibe aber lieber über Bücher... bei den Filmen rutscht mir zu leicht irgendwas Despektierliches heraus - wie z.B. mein Vorschlag Mr. Depp für die Rolle der Lady Catherine de Bourgh zu casten...

Das zweite Reizthema im Board sind für mich die blödsinnigen Empfehlungen von Fortsetzungen oder Komplementär-Romanen... Ich lese lieber 3mal P&P hintereinander - ansonsten gibt es genug gute Schriftsteller, die man lesen sollte - ehe man sich an die schlechten Plagiatoren und Leichenfledderer heranmacht, nur weil die Helden dieser Machwerke Miss Steele oder Mr. Darcy heißen... Ich bin in einem Alter, dass ich mit meiner Zeit sorgsamer umgehen muss, in der Jugend ist man ja der Meinung, man hätte alle Zeit der Welt und man würde ewig leben - später lernt man, dass man Zeit sehr wohl vergeuden kann... (aber dazu gibt es in den Fußzeilen des Boards eine kluge Bemerkung)

So versuche ich - mit mäßigem Erfolg - mich aus diesen Threads rauszuhalten so gut es eben geht...

Naja, ansonsten stehe ich auf Buchempfehlungen von Leuten, die was davon verstehen... Z.B. hab ich hier eine Menge über die "Janeiten" gelernt, als ich anfing... Mal eine Nacht im Internet gesucht, Kipling gefunden, Sonja hat eine Menge beigesteuert und am Ende ist ein Boardmotto dabei herausgesprungen und ich habe meine eigene Signatur gefunden... Oder Byatts "Besessen" entdeckt... Oder die "Herzogin der Bloomsbury Street"... Oder die Prä-Raphaeliten und Christina Rossetti...

Am liebsten mag ich aber über die Bücher von Jane Austen reden... Da gefallen mir - natürlich neben den Haupthelden - vor allem die Nebenfiguren... Schurken z.B. oder die vielen skurrilen Nebenfiguren... Oder die etwas exzentrische Frage, ob Jane wohl eine Katze hatte... Oder wer wohl ihr geheimgehaltener Freund war...

Zur Zeit grübele ich über das wahre Wesen Mary Bennets herum, aber das ist noch nicht Spruchreif...

Ich lesen ja eben noch in "Anleitung zum Müßiggang" ... danach ist wahrscheinlich wieder "Mansfield Park" dran... Was ich dann wohl mit einer Übersetzung eines dazu passenden Textes des von mir sehr verehrten Ashton Dennis verbinden werde... Ich bin nebenbei auch noch dabei herauszubekommen, wer A.D. ist... und hab vor ein paar Tagen eine interessante vielversprechende Spur zur wahren Identität des Autors im Internet gefunden...

Also, wie Du siehst, gibt es viele Möglichkeiten, aber alle sind so, dass man etwas reinstecken muss, um etwas herauszuholen... Mach, was Du magst - Film, Biografie, Bücher, Kleider, Möbel... Was Du eben am besten kannst und was Dich am meisten interessiert... und es findet sich meist auch jemand, der das spannend findet und was dazu zu sagen hat...

Viel Mut und Ermutigung wünsche ich Dir...

Bruki

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Johanna
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Geschrieben Mittwoch, Juni 29, 2005 @ 19:53:56  

@Bruki: Sieht fast so aus, als würden wir uns hier die Bälle allein zu spielen...

Was ich eigentlich wollte:

Quote:
Thomas Hardy

Ich weiß zwar nicht mehr, wo Dus gepostet hattest, aber ich wollte noch sagen, dass ich zu dem schon vor Jane Austen gekommen bin (wie sollte es anders sein, über das Medium Film), muss aber auch gestehen, dass ich mich bis jetzt nicht zu weiteren Buchkäufen diesbezüglich durchringen konnte (liegt aber nicht daran, dass es mir nicht zugesagt hat), zumal mir die Bibo, wie so oft, keine Hilfe war, und die Englischlehrerin auch Hase hieß (wenn du mal Aggressionen und Frust über verdummende Jugend abladen möchtest, ihre Adresse hänge ich zu diesem Zweck gerne auch am Berliner Reichstag auf!!!). Aber was sagst Du zu ihm? Was hältst von der Judeumsetzung im Speziellen??

Oh, schonwieder Gruß vergessen. Bin ich damit eigentlich schon unangenehm aufgefallen?

Gruß

Jo

MierschB
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Geschrieben Mittwoch, Juni 29, 2005 @ 23:20:24  

Hallo Jo,

da hast Du aber auf den richtigen Knopf bei mir gedrückt... Ah, Thomas Hardy... Fang mit “Tess von d’Urbervilles” an… Als das Buch damals erschien, schrieb jemand, alle jungen Damen wollten nach der Lektüre Milchmädchen werden und alle jungen Männer Milchmädchen heiraten... „Tess“ war meine erste Erfahrung mit Thomas Hardy, und da ich ein ganz und gar verstockter Pessimist bin, fiel Hardys gnadenloser Fatalismus bei mir natürlich auf den fruchtbarsten Boden, den man sich nur vorstellen kann... Dass man am Ende dieses unerbittlichen, unabänderlichen, unaufhaltsamen Schicksalslaufs zum Entschluss kommt, Milchmädchen zu werden oder eins zu ehelichen – kann doch nur an der meisterhaften Beherrschung der Mittel durch Thomas Hardy liegen. Also nix gegen Bronte, Eliot und Gaskell, aber Hardy toppt die ohne weiteres...

Danach bin ich zu „Jude the Obscure“ gekommen... Bei mir hieß das Buch „Herzen im Aufruhr“ – ist das nicht zum Lachen? – Und als letztes noch „Der Bürgermeister von Casterbridge“ – da hab ich mich aber schon durchgequält... Aber die ersten beiden in der angegebenen Reihenfolge – das solltest Du Dir nicht entgehen lassen...

Lass Dich von den Filmen nicht abhalten die Bücher zu lesen... Ich hab keinen von denen gesehen, aber ich glaube nicht, dass „Tess“ übertroffen werden kann...

Bruki

PS: Von Thomas Hardy zu Jane Austen? – Das ist schon interessant! Genau besehen kann man sich nichts gegensätzlicheres als die beiden vorstellen... Aber jeder auf seine Weise ein Meister...

PPS: Hm, jetzt les ich gerade, Du wolltest was zu "Jude" wissen, hm mal schnell: Jude, die beste Männerfigur, Tess die rührendste Frau, die Hardy geschaffen hat?!

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Johanna
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Geschrieben Donnerstag, Juni 30, 2005 @ 18:46:47  

Was soll ich sagen. Ich bin im Fernsehen in schlimmster Pubertät über Jude gestolpert (Eine Schande, das die ein solches Werk Herzen in Aufruhr nennen, weil der Name ungewollte Assoziationen hervorrufen könnte!!! - BTW was wäre bessere Werbung?), und das war echt sowas von einem Schlag in die Magengrube. Ich habe nich vorher und auch nachher nie wieder so derart vom Donner gerührt vor irgendwas gesessen (neither my way nor my nature), da mußte ich mir dann doch das Buch leisten. Habs aber nicht mehr gut im Kopf (man entwickelt sich ja auch über die Jahre in seinen Ein- und Ansichten), nur dass die visuelle Umsetzung "woahhh" ist. Auch die Schlusseinblendung. Kann man überhaupt toter aussehen? - Ich weiß, du bevorzugst sicher das lesen, aber ich finde, oft sind Bilder subtiler als das schwarz auf weiß gedruckte Wort. Na oder besser, man muss mehrmals hinsehen, um die ganze Bandbreite zu erfassen (Gut, lässt sich auch auf Bücher übertragen. Vergessen wir das).

Tess hab ich nur in groben inhaltlichen Zügen im Kopf, aber das so zu romantisieren, dass man Milchmädchen.. usw. (wenn es ein Kopfschüttelndes Emoticon gäbe, es stünde genau hier).

Das war es dann bisher mit meiner tiefendiskurstauglichen Kenntnis zu Hardy, obwohl die Faszination an seinem "gnadenlosen Fatalismus" ungebrochen ist.

Der Weg von Hardy zu Austen ist eigentlich recht nachvollziehbar. Die Frau war ja nun auch nicht gerade eine (leichte) Frohnatur. Ich habe mir nur irgendwann gedacht, dass sich das ganze Elend, wenn es denn schon nicht zu verdrängen ist, weil es einem an jeder Straßenecke wieder auf die Schultern klopft (oder wahlweise als Panzer überrollt), nur mit ein bisschen Humor zu ertragen ist, denn ertragen muss man es ja nun mal (es schafft ja nicht jeder so einen 'straighten' Abgang wie die Michelle Pfeiffer - Mme de Tourvel). In der Mitte trifft man/traf ich dann übrigens irgendwo auf Dottie Parker.

Gruß Jo

MierschB
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Geschrieben Freitag, Juli 1, 2005 @ 08:43:21  

Hallo Johanna,

ich verstehe das so, dass Du den Film gesehen hast?! Aber nicht das Buch gelesen?? (also ich meine "Jude")...

Thomas Hardy muss in seinem Alter immer mehr in Depression über den Lauf der Welt verfallen sein, wenn man seine Bücher als Maßstab dafür nehmen kann... Bei "Tess" blitzen ja wenigstens noch ab und zu Hoffnungsschimmer auf, aber bei "Jude" ist alles ohne Ausweg... - Aber trotzdem: Wenn man die Plots seiner Romane liest, denkt man, was für ein kitschiger Scheiß ist das denn? - Doch er ist eben kein Trivialschriftsteller, der seine unehelich geschwängerte Heldin aus der High society irgendwo in London in einen Zwangs-Puff steckt und dann den edlen Dandy-Detektiv losschickt, die Welt zu retten... Und doch kommt man beim Lesen von "Tess" auf den Gedanken, die arme Tess retten zu wollen... Der Fatalismus Hardys ist nicht lähmend, er aktiviert über die Empörung gegen das Schicksal die Tatkraft... (Hardy ein Realist, dem die geringen Chancen, die Welt zu verbessern, schon klar waren) - Aber ich schwafele jetzt nur - und rede wahrscheinlich mehr von mir als von Hardy...

Das Bonmon mit den Milchmädchen kam - glaub ich - von einem Humoristen, der sich über die Tess-Manie, die die englische Leserschaft beim Erscheinen dieses Blockbusters damals heimsuchte, etwas mokierte(?)... Ich weiß leider nicht mehr, wer das gesagt hat oder wo ich das gelesen habe... Es stellt aber gut die "aktivierende" Wirkung des Buches dar... Irgendwie will beim Lesen des Romans in die Handlung eingreifen... Diese Wirkung auf den Rezipienten gibt es evtl. beim Film nicht...

Bruki

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